Christoph Maria Herbst gibt „Contra“

Christoph Maria Herbst gibt „Contra“

Mit „Contra“ startet diese Woche nur einer von vielen Filmen, die Christoph Maria Herbst aktuell in der Pipeline hat. Im Interview mit ntv.de verrät der 55-jährige Ex-„Stromberg“-Darsteller, warum ihm ausgerechnet dieser Film so wichtig ist und weshalb er von Social Media eher wenig hält.

Mit „Contra“ startet diesen Donnerstag nur einer von vielen Filmen, die Christoph Maria Herbst aktuell in der Pipeline hat. Darin spielt Herbst einen recht überheblichen Rhetorik-Professor, der als Strafe für einige rassistische und sexistische Äußerungen in seinen Vorlesungen eine neue Jurastudentin mit Migrationshintergrund auf einen Debattierwettbewerb vorbereiten soll.

Im Interview mit ntv.de verrät der 55-jährige Schauspieler, warum ihm ausgerechnet dieser Film so wichtig ist, er von Social Media nichts hält und ob ihn seine Rolle als „Stromberg“ tatsächlich bis heute verfolgt.

ntv.de: Herr Herbst, wie fühlt es sich an, dass das Ergebnis Ihrer Arbeit bald endlich in den Kinos zu sehen ist?

Christoph Maria Herbst: Es hebt natürlich total die Stimmung, weil man das Gefühl hat, es war nicht alles umsonst. Man hat ja teilweise noch in Zeiten gedreht, in denen keiner wusste, was Corona überhaupt ist.

Auch wenn Promo-Tage wie diese nun wieder dazugehören? Sie haben jetzt gleich mehrere Projekte in der Pipeline und geben vermutlich entsprechend viele Interviews …

Richtig. Vor allem ist es schön, wenn man die Werbetrommel für Filme rührt, für die man das gern tut. Das hat man nicht immer. Promo-Termine sind eine verpflichtende Sache, und da hat man dann auch schon mal irgendwas gedreht, bei dem man denkt: „Hoffentlich kriegt das keiner mit. Hoffentlich geht das jetzt nur auf den thailändischen DVD-Markt.“ Aber im Falle von „Contra“ sitze ich total gern jetzt mit Ihnen hier und plaudere.

Viele Szenen lassen keine Zweifel daran zu, dass dieser Film vor Corona entstanden ist. Ist das eine Zeitspanne, in der man sich noch erinnern kann oder mussten Sie ihn sich in Vorbereitung noch einmal ansehen?

Ich bin zwar schon 55, aber ich kann mich an den Film noch sehr gut erinnern. Auch an die Dreharbeiten, weil die wirklich aufwendig waren. Die ganzen Studenten, die vielen Komparsen. Auch an das Casting kann ich mich noch gut erinnern, bis wir unsere Naima (gespielt von Nilam Farooq, Anm. d. Red.) gefunden hatten. Das war eine sehr aufregende Zeit. Es ist auch eine tolle Rolle, die ich spiele. Und nun sitzen wir hier so viel später und können über einen Film reden, der – leider Gottes – super aktuell ist und bleibt. Insofern ist es ein zeitloser Film.

„Contra“ ist ein Remake des französischen Films „Die brillante Mademoiselle Neïla“. Kannten Sie das Original, als Sönke Wortmann mit der Idee zu Ihnen kam?

Ich kannte es schon, als ich die Anfrage zu „Contra“ noch gar nicht auf dem Tisch hatte. Lustigerweise kam die dann ungefähr vier Wochen, nachdem ich den Film gesehen hatte. Als Sönke mir das Buch schickte, hat es mich auf Anhieb begeistert. Diese Adaption ist unseren hiesigen Verhältnissen angepasst. Aber ich bin schon erst mal zusammengezuckt, denn Daniel Auteuil, der die Rolle im Original spielt, ist noch so schlappe zehn bis 15 Jahre älter als ich.

Das war sicher keine Absicht von Herrn Wortmann. Nur ein dummer Zufall …

Es gibt Zufälle, man muss immer selbst entscheiden, ob es gerade einer ist oder nicht. Dann konnte ich mit dem Buch aber sehr viel anfangen. Ich fand es echt toll und habe auch verstanden, warum man eine Adaption machen wollte. Das französische Original hat leider kaum ein Mensch gesehen, dabei hat die Geschichte mehr als 25.000 Zuschauer verdient. Also wird sie neu aufbereitet noch einmal angeschoben, damit das Ganze ein großes deutsches Publikum erreicht. Das finde ich super.

Der französische Film hat es in Deutschland nie ganz leicht …

Der ist eher im Arthouse angesiedelt. Und weil die Leute inzwischen Netflix, Prime und so weiter haben, hat es selbst der deutsche Arthouse-Film schon schwer genug. Man muss die Menschen jetzt erst mal wieder ins Kino bekommen. Als wir den Film gedreht haben, war all das noch gar kein Thema.

Sie glauben also, dass es schwieriger ist, die Leute wieder in die Kinos zu locken als vor Corona?

Erst mal ja. Man bemerkt es doch am eigenen Verhalten. Das fängt schon in der eigenen Bubble an – wie man mit Freunden und anderen einem Nahestehenden umgeht. Der Mensch ist nun mal ein Gewohnheitstier und hatte sich damit eingerichtet, dass sich der Kontakt jetzt eher auf SMS beschränkt. Und nun darf man sich wieder treffen, in Restaurants, in Kneipen. Und man darf auch wieder in die Kinos und muss nicht zu Hause in der Sitzgruppe hängen und einen Film nach dem anderen streamen. Ich bin fest davon überzeugt, dass das Kino als Institution nicht nur ein Kapitel in den Geschichtsbüchern sein wird, sondern dass es wie ein Phönix aus der Asche steigt. Was wir jetzt alle haben müssen, ist Geduld. Mit uns selbst, mit den Menschen. Man muss sie an die Hand nehmen und ihnen zeigen, dass es hier etwas gibt, das es sich zu gucken lohnt.

Jetzt waren Sie schon vor diesem Film jemand, der sich viel mit Wort und Text auseinandergesetzt hat. Haben Sie trotzdem noch etwas über Rhetorik lernen können?

Ja, allerdings.

Etwas, das Sie nun auch im Alltag anwenden können?

Nein, so weit geht es nicht. Und Professor Pohl ist ja schon ein unglaublicher Angeber. Er trägt eine unfassbare Hybris vor sich her. Das hat dann doch weniger mit mir zu tun, als man vielleicht denken könnte. Aber es ist schon richtig, was Sie sagen. Diese Beschäftigung mit Rhetorik und mit Sprache, die auch ein scharfes Schwert sein kann – das ist für jemanden, der gern mit Worten arbeitet wie ich, ein Eldorado. Aber ich musste mir diese Texte auch ganz schön draufschaffen. Alle Fachausdrücke und Stilmittel, die ich da gelernt habe, kann ich Ihnen nicht mehr nennen.

„Sagen Sie nicht: ‚Ich mag Sie nicht.‘ Sagen Sie besser: ‚Sie haben nichts an sich, das man mögen könnte.'“ – Diesen Rat kann man aber schon hier und da mal beherzigen.

Damit zieht man jedem den Boden unter den Füßen weg, denn bis derjenige begriffen hat, was Sie da gerade gesagt haben, haben Sie sich längst umgedreht und sind weggegangen. Dieser Satz hinterlässt Spuren.

Ein weiteres Gespräch ist dann aber ausgeschlossen, dabei geht es bei „Contra“ doch eigentlich darum, wieder mehr miteinander zu reden.

Ja, das Thema dieses Films ist, dass wir wieder lernen müssen, zu diskutieren und zu debattieren, ohne uns gleich die Schädel zu spalten. Dass wir auch mal Meinungen einfach zulassen und aushalten müssen. Dass wir solche Auseinandersetzungen nicht scheuen dürfen, um mal wieder ein Gefühl für Grautöne zu bekommen. Wir leben in einer polarisierten Welt, in der alles entweder ‚Daumen nach oben‘ oder ‚Daumen nach unten‘ ist. Mich haben von Hause aus immer schon die Töne dazwischen interessiert.

Die schlimmsten dieser schwarz-weißen Diskurse finden im Internet statt. Sie aber halten sich weitgehend raus aus den sozialen Medien …

Professor Pohl nennt sie in „Contra“ nicht ohne Grund die asozialen Medien. Ich habe meine Konten nicht erst vor einem halben oder einem Jahr gelöscht, ich hatte nie welche. Aber nicht etwa, weil ich ein Visionär bin und glaubte, ich brauche dieses Echo nicht, brauche keine virtuellen Freunde und Follower als Bestätigung dafür, wie toll ich bin. Es hat mich in meinem Leben einfach nie abgeholt, es hat mich nicht interessiert. Es ist ein bisschen wie die Geister, die man ruft.

Aber ist es für jemanden wie Sie, der zu einer Zeit bekannt wurde, als es noch keine sozialen Medien gab, womöglich einfacher als für Nachwuchsschauspieler, für die eine Karriere ohne Instagram und Co kaum möglich scheint.

Ja, aber ehrlicherweise gibt es auch deutlich Ältere als mich, die sehr umtriebig sind in den sozialen Medien. Es gibt da alle Schattierungen und alle Auswüchse, glaube ich. Bei mir ist das vielleicht ein gepflegter Wertkonservativismus, der mir sagt, ich muss nicht jeder Mode und jedem Trend hinterherlaufen. Am Ende beschäftigt man sich da doch immer nur mit sich und dreht sich um sich selbst, das machen wir alle schon zur Genüge. Wir sind eben alle lauter kleine Ich-AGs, die Herumhüpfen, vor allem die Schauspieler. Da ist die Grenze zu einer narzisstischen Störung bei dem einen oder anderen ja eh schon fließend. Das muss ich aber jetzt nicht noch durch soziale Medien untermauern.

Zuletzt haben einige Filmschaffende auch geglaubt, dass ihre Meinung zur Corona-Politik eine Rolle spielt …

… was zu diversen Diskussionen geführt hat.

Sollte man sich also besser aus allem heraushalten? Oder wäre ein Job als Testimonial für die Impfkampagne der Bundesregierung für Sie eine Option gewesen?

Komplett raushalten sollte man sich nicht, aber man sollte genau gucken, was man tut und sagt. Diesen schönen lateinischen Spruch kann ich Ihnen jetzt leider nicht ersparen. Ich bin nun mal auf ein humanistisches Gymnasium mit altsprachlichem Schwerpunkt gegangen: „quidquid agis, prudenter agas et respice finem“ – Was auch immer du tust, tue es klug und bedenke das Ende. Das ist ein super Satz, und er funktioniert im Deutschen noch besser als im Lateinischen, weil man mich dann auch versteht. Die Kolleginnen und Kollegen der #allesdichtmachen-Kampagne haben wohl nicht bis zum Ende gedacht. Und was die Impfkampagne angeht: Ich bin nicht gefragt worden.

Also hätten Sie es gemacht?

Ich würde solche Dinge abwägen und überlegen, denn ich habe immer Angst davor, zu inflationär aufzutauchen. Ich möchte vermeiden, dass man sagt: „Ach, der schon wieder.“ Es ist gut, zwischendurch auch mal die Schnauze zu halten und abzutauchen. In den Filmen, die da jetzt noch so kommen, spiele ich aber so unterschiedliche Sachen, dass ich hoffentlich niemandem so schnell auf die Füße steige. Unterschiedliche Zielgruppen, Figuren, Aussehen. So verstehe ich meinen Beruf, anstatt nur meine Haut zu Markte zu tragen.

Und am Ende heißt es dann sowieso wieder: „Herbst? Ach, das ist doch der Stromberg.“ Stört Sie das?

Ich kann es nicht ändern und habe da für mich mittlerweile einen schönen Fatalismus entwickelt. Das ist eine Figur, die ich selbst geprägt und der ich ihr Aussehen gegeben habe. Ich wäre wirklich sehr dumm, wenn ich mich darüber aufregen würde, denn der gute alte Bernd hat mir viele Türen geöffnet. Und es gibt auch viele Menschen – man höre und staune – die Stromberg gar nicht kennen. Die assoziieren mich dann mit anderen Sachen. Kinder und Heranwachsende sehen in mir ausschließlich König Julius 111. aus den „Hui Buh“-Hörspielen. Nächstes Jahr kommt übrigens der zweite „Hui Buh“-Film ins Kino ….

Previous post Mit Duran Duran zurück in die Zukunft
Next post Tori Amos: „Gewalt gegen Frauen hört nicht einfach auf“