Mando Diao: „Wir sind sehr gut darin, im Jetzt zu leben“

Mando Diao: „Wir sind sehr gut darin, im Jetzt zu leben“

Im Oktober 2019 releasen Mando Diao ihren Longplayer „Bang“ und touren um die Welt, dann hält Corona Einzug. Nun kehren Björn Dixgård und Co. mit „Boblikov’s Magical World“ zurück und versprühen darauf sowie im Interview mit ntv.de ein Feuerwerk der guten Rocklaune.

Im Oktober 2019 veröffentlichten Mando Diao ihren Longplayer „Bang“, mit dem sie von ihrem zuletzt electropoppigen Sound Abstand nahmen, um zu ihren rockigen Wurzeln zurückzukehren. Kein halbes Jahr später hielt Corona Einzug und machte der Band zumindest das Live-Spielen unmöglich. Björn Dixgård und seinen Kollegen kam das nicht ungelegen, denn eine Auszeit war sowieso geplant, wenn auch eine deutlich kürzere. Sie nutzten die plötzlich frei gewordene Zeit zum Schreiben neuer Songs.

Und so veröffentlichen Mando Diao nach einem Album 2020 in ihrer Muttersprache jetzt ihr mittlerweile elftes Studiowerk. Das trägt den mysteriösen Titel „Boblikov’s Magical World“. Fans, die bei „Bang“ Erleichterung bezüglich der musikalischen Ausrichtung empfanden, werden bei dessen Hören vor Freude weinen. Einige der zehn darauf vertretenen Stücke sind allerdings eh bereits bekannt. Sie erschienen im vergangenen Jahr unter dem Titel „Stop The Train Vol. 1“ und „Primal Call Vol. 2″. ntv.de traf Frontmann Björn Dixgård und Keyboarder Daniel Haglund Ende Februar zum Interview im Berliner Zeiss-Großplanetarium, wo die zwei ein einstündiges Akustikset zum Besten gaben.

ntv.de: Wir haben uns das letzte Mal im Oktober 2019 getroffen, danach ist ja einiges passiert – oder auch nicht passiert, von der Warte eines Musikers aus gesehen …

Björn Dixgård: Corona war schon ein großer Scheiß, ebenso wie nun der Krieg – und auch der Klimawandel. Aber wir sind trotzdem happy, weil wir den besten Job der Welt haben. Wir können Musik machen, was wir auch während der Pandemie getan haben. Wir haben uns jeden Tag getestet, um uns bei negativem Ergebnis wenigstens im Studio treffen zu können. Eine Woche pro Monat haben wir dort verbracht, um neue Songs zu schreiben. 40 Stück sind dabei herausgekommen. Aufgenommen haben wir sie dann bei einem Freund auf dem Land in Schweden. Der hat dort eine alte Holzkirche zum Studio umgebaut.

Ihr wart im Lockdown also umgeben von der fantastischen Natur eures Heimatlandes? Geht schlechter, oder?

Dixgård: Das war furchtbar, ganz furchtbar. Lange gemeinsame Abendessen und eine Menge Songwriter an einem Tisch. (lacht) Hier in Berlin war es sicher schlimmer, oder?

Auf jeden Fall. Hat diese Zeit denn den Sound oder den Inhalt des Albums in irgendeiner Weise beeinflusst?

Dixgård: Na ja, ein Song heißt „Frustration“ … (lacht) Also lautet die Antwort wohl „Ja“. Geschrieben hat ihn unser Bassist Carl-Johan, weil er so wütend darüber war, wie einiges in der Pandemie abgelaufen ist. Ständig gab es unterschiedliche Regeln für dieselben Dinge. Das war so frustrierend. Und auch die anderen Songs der EP aus dem April handeln von dem Thema Corona. Ansonsten sind wir 2019 wie die Irren getourt und waren danach schon sehr müde. Wir wollten also sowieso eine Auszeit nehmen und Musik machen. Am Ende wurden es dann aufgrund der Umstände zwei Jahre, für uns war das kreativ gesehen ganz gut.

Habt ihr euch zum Ausgleich für die fehlende Bühnen-Action andere Hobbys zulegt?

Dixgård: Fischen.

Daniel Haglund: Ich habe begonnen, Kirchenorgel zu spielen und Unterricht genommen. So kann ich jetzt auch bei Gottesdiensten auftreten.

Dixgård: Wir sind keine super gläubigen Christen, aber Daniel ist wirklich gut im Spielen der Orgel.

Haglund: Ich trage dafür sogar besondere Schuhe.

Dixgård: Die sind toll, ein bisschen wie Step-Schuhe.

Scheint, als würden die auch gut zu „Boblikov’s Magical World“ passen. Könnt ihr ein bisschen mehr über den Albumtitel verraten?

Dixgård: Wir mögen es, uns Alter Egos zuzulegen, uns Avatare und besondere Figuren auszudenken. Das inspiriert uns, regt unsere Fantasie an und hilft uns, kreativ zu sein. Boblikov ist aus Bulgarien und hat die Industrialisierung erfunden, was er heute bereut. Er ist ein bisschen böse, will aber jetzt alles besser machen. Seine „Magical World“ kann man entdecken, sobald das Album erschienen ist.

Wird er auch auf der Bühne präsent sein?

Dixgård: Ja, doch viel mehr kann ich dazu noch nicht verraten. Auf jeden Fall wird in diesem Festivalsommer so einiges Interessantes bei unseren Auftritten passieren. (lacht)

Beim letzten Interview habt ihr behauptet, das nächste Album würde ruhiger als „Bang“. Das kann man von „Boblikov’s Magical World“ nun nicht behaupten ….

Dixgård: Während Corona haben wir zunächst „I solnedgången“ gemacht, ein Album in unserer Muttersprache. Dann haben wir ein Americana-Album geschrieben, und ich denke, über dieses haben wir damals gesprochen. Aber ich glaube nicht, dass wir das veröffentlichen werden. (lacht)

Haglund: Wir haben uns ein wenig ausprobiert.

Dixgård: Erst danach ist dieses Album hier jetzt entstanden. Wir haben tagsüber geschrieben und nachts aufgenommen. In dieser Zeit haben wir dann nicht allzu viel geschlafen. Und schauen wir mal, was mit dem Americana-Album passiert, vielleicht können wir es ja irgendeinem Country-Künstler verkaufen. (lacht)

Die Musik auf „I solnedgången“ unterscheidet sich klar von eurem übrigen Sound. Woran liegt das?

Dixgård: Wir hatten immer ruhige Songs, es sind nur nicht die, für die wir gemeinhin bekannt sind. Es sind doch eher die Rocksongs, für die man uns kennt. Zumindest in Europa. In Schweden aber kennt man uns schon so.

Haglund: Es ist quasi ein Follow-up zu „Infruset“ (2012), unserem ersten ruhigen Album auf Schwedisch. Das war auch schon Musik zu Gedichten. Und es ist damals eher aus einem Zufall heraus entstanden. Eine Freundin fragte uns, ob wir Musik für ihre Ausstellung schreiben könnten. Das haben wir versucht, einen ersten Song geschrieben, und der klang so gut, dass wir ein ganzes Album in dieser Art gemacht haben. Es wurde unser erfolgreichstes Album in Schweden.

Fällt es euch leichter oder schwerer, Songs auf Schwedisch zu performen?

Dixgård: In Englisch ist es für uns einfacher, Alter Egos wie Boblikov zu kreieren. Es hat was Theatralischeres. Schwedisch ist unsere Muttersprache und daher deutlich emotionaler. Wir haben für beide schwedischen Alben Gedichte von Gustaf Fröding vertont, einem schwedischen Lyriker und Nationalhelden, der 1911 verstorben ist. Es geht um die Angst vorm Tod und weitere schwere Themen mit Tiefgang.ANZEIGE

Nichts für eure Konzerte vermutlich, die nun endlich wieder anstehen. Ihr spielt bei uns unter anderem beim Deichbrand Festival, dem Zeltfestival Ruhr sowie in Berlin und Hamburg. Wie sehr habt ihr es vermisst, auf der Bühne zu stehen?

Dixgård: Wir waren nicht komplett abstinent, haben in Schweden kleinere Konzerte gespielt. Eine Weile ging das unter Auflagen mit etwa 50 Personen. Aber natürlich war das nicht dasselbe. Wir haben auch ein Picknick-Konzert in Deutschland gespielt, bei dem die Leute auf ihren Plätzen sitzen bleiben mussten. Wir waren nun zwei Jahre im Studio, also es wird Zeit …

Gab es Momente, in denen ihr Sorge hattet, dass es nie wieder so werden könnte wie zuvor?

Dixgård: Klar, die Gedanken gab es. Aber kaum standen wir wieder auf der Bühne, war es, als sei nichts gewesen. Wir haben uns also ganz umsonst diese Sorgen gemacht.

Haglund: Wir sind sehr gut darin, im Jetzt zu leben.

Dixgård: Und wir können die schlechten Dinge schnell vergessen.

Ihr habt euch schon mit „Bang“ von dem elektronischen Sound, den ihr auf Alben wie „Ælita“ und „Good Times“ vertreten habt, wieder verabschiedet. Dieses Mal geht ihr fast noch ein Stück weiter zurück zu euren Wurzeln. Ist das eine bewusste Entscheidung oder eine natürliche Entwicklung gewesen?

Dixgård: Wir mögen diesen Straight-Forward-Sound einfach. Wir mögen es, wenn Musik schmutzig und laut ist. Aber wir mögen es auch, wenn Musik leise ist oder irgendwas dazwischen. Wir mögen einfach Musik. Wir planen nicht viel, wenn wir ins Studio gehen, ganz besonders nicht bei diesem Album. Das ist einfach das, was beim Songwriting herausgekommen ist. Beim Schreiben am Tage und dem Aufnehmen bei Nacht.

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