„Over & Out“: Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs

„Over & Out“: Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs

In „Over & Out“ machen sich drei alte Freundinnen auf den Weg zur vermeintlichen Hochzeit einer vierten. Doch wird ihre ohnehin schon schwierige Reise zu einer an den Nerven zerrenden Prüfung ihrer Beziehungen zueinander und einer Bilanz ihrer Leben ganz allgemein.

Fünf Jahre ist es her, dass Julia Becker, bis dahin vor allem bekannt als Schauspielerin aus diversen Film- und Fernsehproduktionen, mit „Maybe! Baby!“ ihr Regiedebüt feierte. Auch stammte seinerzeit das entsprechende Drehbuch aus ihrer Feder, und sie übernahm die Rolle von Hauptfigur Marie. Für all das erhielt Becker jede Menge Lob seitens Hobby-Filmfans und berufsmäßigen Kritikern.

Umso gespannter wurde die zweite Arbeit der gebürtigen Berlinerin dieser Art erwartet. Die kommt jetzt mit „Over & Out“ ins Kino, denn auch hier stammt das Drehbuch von Becker, führte sie Regie und besetzt eine der Hauptrollen. Und auch sonst konnte sie beim Cast aus dem Vollen schöpfen und Jessica Schwarz, Petra-Schmidt-Schaller und Nora Tschirner für ihren Film gewinnen.

Reise mit überraschender Wendung

Hausfrau und Mutter Steffi (Becker), Geschäftsfrau Lea (Schwarz), Rocksängerin Toni (Schmidt-Schaller) und Aussteigerin Maja (Tschirner) sind in den 90ern zusammen aufgewachsen, haben ihren ersten Rausch, ihre erste Liebe, musikalische Guilty Pleasures und noch einiges mehr geteilt. Jahrzehnte später ist von früheren Gemeinsamkeiten bis auf ein bisschen Nostalgie nicht mehr viel übrig, und doch haben sie sich nie ganz aus den Augen verloren.

Als Maja ihre Freundinnen zu ihrer Hochzeit nach Italien einlädt, haben die drei übrigen trotz einiger innerer Widerstände keine andere Wahl, als diese Reise anzutreten. Immerhin hatten sie sich einst geschworen, für ein solches Event zusammenzukommen. Und so machen sich Steffi, Lea und Toni in Erwartung einer romantischen Eheschließung auf den Weg gen Süden, der dort dann aber eine überraschende Wendung nimmt.

Statt bei Hochzeitstorte und Schampus auf die vermeintliche Braut anzustoßen, werden sie in eine Situation geworfen, die sie an ihre emotionalen Grenzen bringt. Die drei Enddreißigerinnen begeben sich notgedrungen auf einen Roadtrip durch die italienische Pampa, der ihre Beziehungen zueinander auf die Probe stellt und alle drei Frauen einen bilanzierenden und ungeschönten Blick auf ihr aktuelles Leben werfen lässt.

„Over & Out“ ist sicher nicht der erste Film, der sämtliche Roadtrip-Beteiligten an den Rand des Nervenzusammenbruchs bringt. Julia Becker gelingt es, mit Humor und Herz sowohl witzige Dialoge und Slapstick-artige Situationen herzustellen, sowie ein ums andere Mal sanft auf die Tränendrüse zu drücken, ohne allzu rührselig zu werden.

Während die Chemie zwischen den Darstellerinnen stimmt, herrscht zwischen ihren Figuren meist dicke Luft. Ganz grün sind sie sich alle nicht mehr, und man mag sich ein ums andere Mal fragen, warum sie überhaupt noch miteinander befreundet sind oder sein wollen. Doch sind sie das im Grunde nicht wirklich, und erst diese Reise führt sie an einen Punkt, an dem sie ihre längst verstorbenen und nur noch nicht offiziell zu Grabe getragenen Freundschaften noch einmal reanimieren können.

Mehr Drama als Feelgood Movie

Vorwerfen kann man Autorin Julia Becker, dass Steffi, Lea und Toni zwar alle mit ganz unterschiedlichen und dann doch wieder ähnlichen Problemen kämpfen, am Ende aber doch etwas scherenschnittartig entworfen wurden. Da ist Steffi, eine Hausfrau und Mutter, die unglücklich ist in ihrer Ehe und vieles hinnimmt, ohne sich ernsthaft um Veränderung zu bemühen. Die ehrgeizige Lea muss im Job eine massive Schlappe einstecken, die einzugestehen ihr schwerfällt. Denn eigentlich ist sie gar nicht so taff, wie sie sich gibt und hat dazu noch ein eher unrühmliches Geheimnis, das sie zu schützen versucht. Und Rockmusikerin Toni wird auf der Festivalbühne von Tausenden Fans gefeiert, doch in der Liebe geht sie aufgrund innerer Blockaden bislang leer aus. All das hat man natürlich schon mehrfach gesehen und gehört.

Vielleicht wäre an der einen oder anderen Stelle ein Problem weniger mehr gewesen. Möglicherweise hätte es den Figuren und ihrer Glaubwürdigkeit gutgetan, wenn sie sich nicht ganz so fremd und fern gewesen wären, denn dass diese drei trotz aller Ereignisse und gelüfteten Geheimnisse am Ende des Trips an ihrer Freundschaft festhalten, ist nicht zwingend nachvollziehbar. Dennoch macht es Spaß, den Frauen, von denen Maja weniger Text und actionreiche Szenen hat als der Rest, was in ihrer Situation allerdings nicht verwunderlich ist, durch sämtliche Höhen und Tiefen dieses Trips zu folgen. Wer ein reines Feelgood Movie erwartet, dürfte enttäuscht werden. Das Leben um die 40 ist eben nicht immer so lustig, wie es mal mit 20 war. Nicht selten ist es dann halt eher Drama als Komödie.

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