„The Sparks Brothers“: Jubel für zwei unterschätzte Musik-Genies

„The Sparks Brothers“: Jubel für zwei unterschätzte Musik-Genies

Vor 50 Jahren schicken sich zwei Brüder an, die Musikwelt aufzumischen. Das tun sie dann auch, wenngleich ihnen der ganz große Erfolg verwehrt bleibt. Wie wegweisend Ron und Russell Mael alias Sparks tatsächlich waren, zeigt nun Edgar Wrights Rockumentary.

Ob die Rolling Stones, Kiss oder Depeche Mode – Bands wie diese sind seit Jahrzehnten erfolgreich im Geschäft, haben andere Musiker nachhaltig beeinflusst und sind auch dem uninteressierten Musikliebhaber ein Begriff. Punkt eins und zwei treffen auch auf Ron und Russell Mael zu, doch gibt es durchaus sogar Musik-affine Menschen, die von den beiden bislang nur am Rande gehört haben. Vielleicht kennen sie noch Hits wie „This Town Ain’t Big Enough for Both of Us“ oder „When Do I Get To Sing ‚My Way'“, allerdings hört es da oft auch schon auf. Dabei haben die Mael-Brüder unter dem Namen Sparks mehr Musikgeschichte geschrieben, als so manch bekannterer Act. Immerhin können sie stolze 25 Alben und mehr als 300 Songs vorweisen.

Die zu geringe Wertschätzung von Sparks fand auch Filmemacher Edgar Wright unglaublich, weshalb er dem Duo die virtuose Rockumentary „The Sparks Brothers“ angedeihen ließ. Zweieinhalb illustre Stunden lang verbeugt sich der Regisseur von Filmen wie „Shaun of the Dead“ und „Baby Driver“ vor den britischsten US-Amerikanern, die die Musikwelt je gesehen hat und liefert damit beste Unterhaltung ab.

Großbritannien bringt den Erfolg

Schon Ende der 1960er-Jahre gründen Ron und der drei Jahre jüngere Russell Mael gemeinsam mit weiteren Musikern ihre erste Band Halfnelson, veröffentlichen mit 1971 ihr gleichnamiges Debütalbum, das allerdings kaum Gehör findet. Drei Jahre später nennen sie sich in Sparks um und releasen den Longplayer noch einmal. Auch das stellt sich als mittelmäßige Idee heraus. Ihr Glück finden die US-Brüder erst nach ihrem Umzug nach Großbritannien, wo sie mit ihrer Musik besser aufgehoben sind. Und so wird ihr nächstes Album „Kimono My House“ mit der bereits genannten Single „This Town Ain’t Big Enough for Both of Us“ 1974 endlich ein Erfolg.

Während andere Bands an dieser Stelle womöglich genauso weitermachen würden – never change a running system – ist es Keyboarder und Songschreiber Ron und Frontmann Russell wichtig, sich immer wieder neu zu erfinden und ständig Neues auszuprobieren. Und das wird ihnen keineswegs immer gedankt. Bisweilen verschwinden Sparks nahezu von der Bildfläche, werden nicht mehr wahrgenommen, so fleißig sie auch weiter an neuen Sounds tüfteln. Immer wieder aber gelingt es ihnen nach einer längeren Durststrecke, dann doch wieder einen Hit zu landen – unter anderem dank Kollaborationen mit Giorgio Moroder oder Franz Ferdinand.

So bunt und abwechslungsreich wie das musikalische Schaffen von Sparks ist auch Wrights Film geworden. Seine Erzählung beginnt er in der Kindheit der Brüder, die dank ihres Vaters die Musik für sich entdecken. Kurzweilige Collagen aus alten Fotos, privaten Videoaufnahmen, TV-Aufzeichnungen und Konzertausschnitten bebildern die Ereignisse.

Weggefährten und Bewunderer

Unter anderem kommen zudem bekannte Weggefährten und Bewunderer wie Beck, Vince Clarke von Erasure, Flea von The Red Hot Chili Peppers, Todd Rundgren, John Taylor und Nick Rhodes von Duran Duran, Alex Kapranos von Franz Ferdinand, Giorgio Moroder, Tony Visconti und Thurston Moore von Sonic Youth zu Wort, die alle voll des Lobes für die Maels sind und unterschiedlichste Anekdoten in petto haben.

Vor allem aber Ron und Russell machen „The Sparks Brothers“ zu einem unterhaltsamen Werk voller Ironie, denn so ernst die zwei auch die Musik an sich nehmen, so wenig ernst nehmen sie sich selbst. Die beiden US-Amerikaner, heute 76 und 73 Jahre alt, sind noch immer britischer als die meisten Briten und strotzen nur so vor schwarzem Humor.

„The Sparks Brothers“ ist das gelungene, wenngleich ein bisschen zu lange geratene Porträt zweier Exzentriker, das bei Fans ganz sicher auf offene Augen, Ohren und Herzen stoßen wird. Ob es auch Musikfreunde außerhalb der Sparks-Fanbase ins Kino lockt, ist allerdings fraglich. Zu wünschen wäre es sowohl Wright und den Maels sowie auch dem Zuschauer selbst, dem sich so eine musikalische Welt zwischen Glam Rock, Synthie und Art Pop eröffnet, die sich zu entdecken lohnt.

„The Sparks Brothers“ läuft ab 7. Oktober in den Kinos.

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