Eine ereignisreiche Woche liegt hinter uns. Während das WM-Trainingslager mehr und mehr zum Lazarett verkommt, man aktuell mit keiner Frau über was anderes sprechen kann als die neuesten Designerklamotten von Carrie & Co. und inzwischen niemand weiß, ob das Bohrloch im Golf von Mexiko jemals zu stopfen sein wird, ist es dann doch einen ganz andere Meldung, die die Medien bestimmt.
Deutschland hat tatsächlich und haushoch den Eurovision Song Contest gewonnen und Lena Meyer-Landrut zur beliebtesten 19-Jährigen des Landes mutieren lassen. So erfreulich das ja auch ist, weil man es der Hannoveranerin gönnt und selbst die Unterhaltungsmaschine Stefan Raab ob des Sieges und seiner Freude darüber beinahe menschlich erscheint, finde ich den Hype doch ein klein wenig übertrieben.
Sondermaschinen. Sondersendungen. Sondermeldungen. Sonderausgaben. Sonder…, Sonder… Sonder… wohin man schaut. Allein die eigentlich eher konservativen ARD-Nachrichten setzten am Sonntag die Meldung über Lenas Sieg beim Grand Prix und ihre baldige Landung in Hannover an den Beginn ihrer Sendung und ließen ihr dann noch diverse Specials folgen, in denen ein Korrespondent live und ganz aufgeregt vom Rollfeld berichtete, als kündige sich hoher Staatsbesuch an. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff höchstpersönlich begrüßte die ex-Abiturientin, und Tausende Menschen jubelten ihr schon am Flughafen zu, noch viele mehr folgten dem in Hannovers Innenstadt. Womöglich hängt das totale Ausflippen der Journalisten und der zivilen Bevölkerung aber auch damit zusammen, dass man angesichts der aktuellen Entwicklungen im Nationalmannschaftskader die Hoffnung darauf begraben hat, in Sachen Fußballweltmeisterschaft etwas feiern zu können und verjubelt einfach schon mal seine gesamte gute Laune und den im Vorfeld organisierten WM-Biervorrat für den Grand-Prix-Sieg.
Die Bild-Zeitung titelt: „Lena, wir lieben dich“ – und ich frage mich, wie beängstigend all das wohl ist. Aktuell kann Fräulein Meyer-Landrut keinen Schritt unbeobachtet tun, und auch wenn man weiß, dass die Aufmerksamkeit der Massen nach so einem Ereignis meist nicht von großer Dauer ist, so kann einem sicherlich nicht nur als 19-Jährige angst und bange werden. Hier bekommt womöglich in Kürze ein Therapeut viel zu tun, denn wohin allzu früher, allzu schneller Ruhm führen kann, sehen wir an vielen Opfern des Medienhypes – von Macaulay Culkin über Lindsay Lohan bis hin zu David Hasselhoff.
Dieser veröffentlicht im Herbst seine Autobiografie. Zwar startete er seine Karriere erst mit 23 – der große Durchbruch kam dann mit 30 und „Knight Rider“ – dennoch endet er als gebrochener Mann. Doch was wird uns Herr Hasselhoff wohl über sein Leben zu berichten haben? Neben den nur logischen Kapiteln „Wie ich die Berliner Mauer zum Einsturz sang“ und „Die wahren Gründe dafür, dass Kit immer fahren musste“, erwarten uns sicherlich noch einige weitere nicht uninteressante Themen. Folgende Dinge würde ich mir wünschen: „Wie ich es schaffte, meine rote Badehose stets richtig herum anzuziehen“ – „Es gibt ein Leben mit der Leberzirrhose, aber keins danach“ – „Welche Kriterien muss eine Windel für Erwachsene erfüllen?“ – „Wie ich es schaffte, die Windel unter meiner roten Badehose stets zu vertuschen“ – „Wie man sich einen Long Island Iced Tea mixt, von dem man einen ordentlichen Rausch, aber weder Fahne noch Kater bekommt“ oder „Wie man Exzesse richtig organisiert, um auch ohne beruflichen Erfolge seinen Platz in der Öffentlichkeit zu finden“. All das und vieles mehr gibt es dann also später in diesem Jahr für nur 24,95 Euro zu lesen. Ich freue mich drauf. Und um dafür in Stimmung zu kommen, werde ich keine Folge des wieder mal besonders anspruchsvollen neuen RTL-Coachingformats „Süchtig“ verpassen, bei dem Dr. med. Christoph Heck gescheiterten Existenzen durch gutes Zureden aus ihrer Abhängigkeit hilft. Na dann mal „Prost“!